Als das Unentschieden schon akzeptiert war, fiel das Glück mit dem letzten, direkt verwerteten Freiwurf, doch noch auf Seite der Wilerinnen. Sie schlugen aufopferungsvoll kämpfende Appenzellerinnen mit 20:19 (12:12) Toren.
Es ist eine alte Weisheit, dass die letzten Meter auf der Zielgerade die härtesten sind. Die Hindernisse häufen sich, je näher das Zielband rückt. Da sind die Nerven, die zu flattern beginnen, weiche Knie, die sich bemerkbar machen, Sportarten, die verlernt werden und Zweifel, die mit jedem kleinsten Fehler geschürt werden. Mutmacher-Parolen werden vermehrt bemüht, das Wissen um ihr Können eingetrichtert. Beste Ausgangslagen sind schon oft vergeben worden und am Schluss ist hadern angesagt. Wenige Meter vor dem rettenden Ziel geht der Schnauf aus und immer wieder zieht irgendein Gegner vorbei, beansprucht den Triumph für sich, hinterlässt einen schalen Nachgeschmack und lässt eine ganze Saison in einem düsteren Licht zurück.
Am 27.04.2017 sind die Damen des KTV Wil letztmals von der dritten in die zweite Liga aufgestiegen. Danach kamen Jahre des Auf-und Ab, bis irgendwann konstant gute 2. Ligaleistungen verbucht werden konnten. Und jetzt ist man vorne, die Ziellinie vor Augen, im Wissen, dass diese Saison zwei Aufstiegsspiele in die 1. Liga, als Belohnung für unermüdliches Schaffen, warten. Die letzten Meter sind die härtesten, denn genau in dieser Phase der Meisterschaft verletzen sich die Torhüterinnen, sind wichtige Spielerinnen abwesend und dann wartet da ausgerechnet der TV Appenzell, eine Mannschaft, die nach einer tollen Serie aus zwei Niederlagen zurückkommt und nicht motiviert werden muss. Eine Mannschaft, die in der Defensive wohl die Beste der Liga ihre nennen kann. Da trifft die produktivste Offensive auf die stärkste Verteidigung, Vorteile auf Seiten der Gäste. Dementsprechend agierte das Heimteam in der Vorwärtsbewegung. Vor allem in Halbzeit zwei fand man keine Lösungen gegen das kompakte Bollwerk. Machte zu viele Fehler, agierte mutlos, suchte nie den Kampf Frau gegen Frau. Immerhin, die wenigen erarbeiteten Chancen wurden sehr gut genutzt, so blieb man dran. Es waren zwei Tatsachen, die Wil auf Schlagdistanz hielt. Einerseits stand man den Gästen in nichts nach, was die Defensivarbeit betraf, andererseits blieb der Kopf klar und signalisierte, dass die eine Chance kommen würde, und die galt es zu nutzen. Sie kam, und wie! Zuerst sicherte man 16 Sekunden vor Schluss mit der Balleroberung den einen Punkt. Der endgültige Wurf ins Glück fiel erst nach der Schlusssirene mit einem direkt verwandelten Freiwurf. Einmal mehr zeigte sich in dieser dramatischen Schlussphase wie nahe Sieg und Niederlage, Jubel und Enttäuschung sein können. Die Wilerinnen konnten ihr Glück kaum fassen, Appenzell war am Boden zerstört, enttäuscht, nach einer Leistung, die sie nicht mit leeren Händen hätte zurücklassen müssen.
Das Wiler Damen1 hat sich diese Saison zum Ziel gesetzt, einmal etwas Grosses zu reissen. Nach den gewonnen zwei Punkten kriegen sie ihre zwei Aufstiegsspiele und machen das, was sie sich in den letzten Jahren mehr als verdient haben: sie schreiben Vereinsgeschichte!
Hansruedi Rohner